22.-24.02.2002 Ruhr-Tour 130 km von Mülheim nach Kaiserau -Annette Bovensmann
Den Koffer habe ich zirka 20 mal ein- und ausgepackt! Socken, Jacken, Funktionswäsche, Schuhe, Hosen, Schwimmzeug, reicht´s, oder hab´ ich was vergessen? Letzte Beratung beim Läuferstammtisch am Mittwoch. Also nehme ich 4 Paar Laufschuhe mit, wenn Horst das sagt, der weiß Bescheid! Die Nervosität kommt durch, noch mal den Koffer kontrollieren, bloß nichts vergessen.Seit Sonntag bin ich nicht mehr gelaufen, erholt bin ich bestimmt.
Das Auto stell ich auf dem Parkplatz ab. Aha, da ist ja auch schon das Wohnmobil von Gerd Schmidt. Kann mir also nichts passieren, schließlich bin ich mit Gerd meinen ersten Marathon gelaufen. Heinz Gollner, Margarete und Horst Noffke sind auch schon da. Gut zu wissen nicht allein in der Fremde die Ultradistanz testen zu müssen. Die nächste Frage wird schnell geklärt. Mit wem teile ich das Zimmer. Gerda aus Essen! Triathletin mit super Ausdauer. Die Welt ist so klein, Gerda ist jedes Jahr beim Essen-Marathon bei Kilometer 29 am "Schwämmchen-Stand", da kenn´ ich sie doch!
Nun aber zur Sache! Um 9 Uhr saßen wir im Bus Richtung Mühlheim. 22 Männer und 8 Frauen hatten sich für die Ruhrtour angemeldet. Klaus-Peter Münzer klärte uns über das, was uns erwarteten sollte auf. Na, über das Wetter schreib´ ich nichts, es ist eben Februar. Dann ging´s los. Raus aus dem Bus, in drei Laufgruppen eingeteilt, das Kartenmaterial wetterfest verpackt liefen wir an. Heinz war schnell außer Sichtweite, Horst auch. Gerd, Margarete, Gerda und ich blieben zusammen in der langsamen Gruppe. Der Vorteil dieser Gruppe: wir hatten einen Betreuer. Horst Sobieroy mit Handy und Kondition. Die ersten Kilometer lief ich mit Maximalpuls. War ich nervös! Von Mühlheim-Saarn an der Ruhr entlang. Laufrhythmus und Puls mussten sich finden. Die Gruppe war nett, ich entspannte mich und die erste Unterhaltung begann. Mein Puls passte sich der körperlichen Belastung an und dann lief ich "rund". Die Ruhr hatte eine Fließgeschwindigkeit von 110 km/h und führte Hochwasser. Wegen des Hochwassers durften wir uns schon mal Gedanken machen, wie wir die Strecke ändern wollten. Gerda war Ortskundig und lotste uns. Über Wiesen, Stacheldraht, Zäune, Pfützen, Baustellen und dann die erste Verpflegung.
Der Bus hatte seine Ladeluke geöffnet und präsentierte uns Butterbrote, Müsliriegel (extra für die Lauftour gebacken), Mettwürste, Schokolade, Bananen, Äpfel, Mineralwasser, Vitamalz, Kaffee und Tee. Wahnsinn! So lecker wurden wir während der gesamten Tour beköstigt. Weiter ging´s nach ein paar Minuten. Die Gruppe hat sich eingelaufen und die Gespräche plätscherten so munter wie der Regen. So betrachtet, kann ich im Nachhinein bestätigen, dass wir verbal dem Wetter ordentlich Paroli geboten haben.
Mittags genossen wir dann die erste ordentliche Etappenpause! Wir hatten alle Wechselkleidung dabei. Der Bus glich einer großen Umkleidekabine. (Gut, das ich hier nicht den Geruch wiedergeben kann).
Nach ausgiebiger Pause und in trockenen Sachen, starteten wir zur zweiten Etappe. Mittlerweile waren wir schon in Essen- Heisingen und hatten schon einen Teil der Essen-Marathon-Strecke am Baldeneysee passiert. Das hat mir während der gesamten Tour übrigens auch in den noch folgenden Etappen super gut gefallen. Immer war jemand aus der Gruppe ortskundig, lotste und erzählte was es sonst noch an Attraktionen zu bewundern gab. Und dann wussten wir plötzlich nicht mehr weiter. Nass bis auf die Knochen, gut 45 km gelaufen, standen wir wie begossene Pudel an der B51 und suchten den Weg. Aber nichts konnte uns schocken, wir hatten ja einen Betreuer (zwar zwischenzeitlich mal kurz aus den Augen verloren), Karte und Handy. Wir riefen Klaus- Peter Münzer an (mindestens 5mal), erklärten wo wir waren und versuchten herauszufinden, in welche Richtung wir weiter laufen mussten. Es stellte sich heraus, das wir den Bus ziemlich in unserer Nähe hatten. Die schnelleren Läufer hatten ihr Tagesziel schon erreicht und so mussten nur noch wir "eingesammelt" werden. Nach kurzer Erklärung liefen wir dann auch den Bus entgegen und beendeten den ersten Tag der Ruhrtour mit ca. 47km und einer Laufzeit von rund 5,5 Stunden.
Hach, war das gut! Sitzen! Horst hatte schon für unsere Verpflegung gesorgt und das Vitamalz zischte förmlich die Kehle runter! Was mach´ ich bloß morgen? Heimlich grübelte ich schon darüber, wie ich den nächsten Tag schaffen sollte. Nie bin ich so lange gelaufen und dabei auch noch so nass geworden. Aber ich hatte auch noch nie so einen Spaß dabei! Dann waren kamen wir in der Sportschule Kaiserau an. Das Abendessen war klasse. Ich hatte ordentlich Hunger und riesigen Durst. Ich wünschte mir, im nächsten Leben ein Kamel zu werden, dann könnte ich besser "auftanken". Um 19:45 h Uhr trafen wir uns dann alle zu Gymnastik. Leute, ich schreib´s mit großer Überzeugung. Das Geheimnis eines guten Trainings, liegt in der Regeneration. Die Gruppe kam schlapp und müde in die Halle und ich hatte nicht gerade eine gute Motivation mich noch mal anstrengen zu müssen. Aber Klaus- Peter machte vorsichtig Dehnübungen und die Muskulatur dankte es uns sofort. Nach einer knappen Stunde "schwebten" wir sozusagen aus der Halle. Ich schaffte es dann auch noch bis ins Zimmer, die anderen bis in die "Westfalenstube". So müde war ich schon lange nicht mehr, was soll das erst morgen geben?
Tja, die Nacht war schnell rum! Wie geht´s den Beinen, hab´ ich mir ´ne Blase gelaufen? Nein, alles o.k.! Frühstück gab´s um 8 Uhr. Alle Teilnehmer saßen schon wieder munter beisammen und stärkten sich für die nächsten Etappen. Die Rucksäcke mit den Wechselklamotten wurden gepackt, die Schuhe geschnürt und dann fuhren wir los. Genau da, wo wir gestern die Etappe beendeten ging´s weiter. Lamas standen da auf einer Weide, komisch hatte ich gestern nicht mehr gesehen. Die Gruppen teilten sich wieder, ich lief wie gestern, da wo´s am lustigsten war. Frank aus Wattenscheid war der Ortskundige des Tages. Von Bochum liefen wir weiter. Das Wetter war unglaublich! Wir waren schnell wieder nass bis auf die Knochen und dann bekamen wir noch Hagel und Schnee geboten. Der Wind blies uns ins Gesicht. Das tat aber unserer guten Stimmung keinen Abbruch. Ich freute mich über den Lauf. Die Nervosität von gestern war weg! Unglaublich, dass ich dabei sein konnte. Wir unterhielten uns während der gesamten Strecke und mir kam die Gegend schon wieder bekannt vor. Kemnade, ja da habe ich vor einigen Jahren mal im Hochsommer mit Gudrun meinen aller ersten 10km Lauf gemacht und Margarete kennen gelernt. Sie lief 30km. Damals dachte ich noch nicht besonders gut über längere Strecken, erst recht nicht im Hochsommer. Gut, das ich mein Meinung geändert habe, sonst wäre ich nie in den Genuss gekommen mit Margarete laufen zu dürfen. Und dann saßen wir schon wieder im Bus und machten unsere Mittagspause. Die Zeremonie und Verpflegung war die gleich wie gestern. Das Wetter legte noch einen drauf. Es stürmte und schneite! Ich versuchte eine SMS zu schicken. Der Versuch missglückte, so lange Strecken fordern eben doch ein paar Gehirnzellen und ich bekam´s einfach nicht geregelt. Na ja, was soll´s! Margarete hatte es besser drauf. Die hatte Kontakt mit Manuela und somit war ja die Information an den Verein erst mal gewährleistet.
So, am Nachmittag kam dann die Etappe von Wetter nach Hagen. Jetzt waren Gerd, Margarete und ich die Ortskundigen. Die Strecke konnte problemlos gelaufen werden und es tat uns gut, zu wissen wo wir waren. Der Wind und die Nässe hat uns ziemlich gefordert. Margarete und ich freuten uns, als unsere Gruppe durch Gisela bereichert wurde. Gisela und ihr Mann kommen aus Recklinghausen. Die beiden machten ein gemeinsames Laufwochenende. Gisela lief jeden Tag die gesamte Vormittagsetappe mit, pausierte dann die erste Hälfte der Nachmittagsetappe und stieg dann wieder frisch und munter zur zweiten Hälfte ein. Ein wahrer Segen. Die Unterhaltung bekam neue Aspekte und es lief sich fast von alleine. Und dann, dann wurde meine rechte Wade hart! Was nun? Dehnen, strecken, laufen und nachdenken wie ich wohl morgen laufen werde. Die zweite Etappe des Tages endete in Hohenlimburg. Wir fanden den Bus und dann nicht´s wie ab nach Kamen. Der zweite Tag war geschafft. Die schnelleren Läufer hatten heute den Kilometerfresserorden verdient. Margarete und Horst klagten über Unwohlsein, ein Virus kreiste wie die Geier über der Laufgruppe.
Nach dem Abendessen und Trinken, ging´s ins Hallenbad. Dort war kollektives Frieren, auch Wassergymnastik genannte, angesagt. Wir gaben uns alle Mühe, aber wir wurden nicht warm. Unseren Muskeln tat´s dennoch gut. Meine Wade entspannte sich und ich mich auch. Deshalb raffte ich mich anschließend auch noch auf um der "Westfalenstube" einen Besuch abzustatten. Das soziale Leben der Gruppe wollte ich nicht schon wieder verpassen. Tat das Gut! Gemütlich im Trockenen, Vitamalz und Apfelschorle.
Unglaublich, schon war der Sonntag da! Ich stieg vorsichtig aus dem Bett, wie geht´s meiner Wade? Der erste Test - Flachetappe, Kurzstrecke (vom Bett zum Bad) verlief gut! Ein Stein viel mir vom Herzen! Der zweite Test - der ultimative Wadentest (mit Birkenstockschlappen durch´s Treppenhaus, drei Etagen hinunter) verlief gut!!!! Schon stieg die Stimmung wieder an. Um keine unnötigen Körner zu verballern, nahm ich den Aufzug um wieder in Zimmer zu kommen. Rucksackpacken war angesagt. Außerdem räumten Gisela und ich das Zimmer auf. Abreise! Nach dem Frühstück bestiegen wir den Bus. Aber was war das? Blauer Himmel, kein Regen, kein Schnee! Sonntagswetter für Läufer. Im Bus war es anders als sonst. Einige Plätze waren frei und etwas stiller war es auch.
Die Tour forderte alles von uns! Außerdem stand heute die "Bergetappe" auf dem Plan. Als ich die Streckenbeschreibung das erste mal las, dachte ich (etwas naiv, ich geb´s ja zu), das wäre ein kleiner Witz. Aber dem war nicht so! Wie mussten tatsächlich 240 Höhenmeter überwinden. Von Hohenlimburg liefen wir nach Holzwickede. Margarete war die Ortskundige des Tages. Außerdem brachte uns eine am Wegesrand stehende Fußballtruppe zwischenzeitlich wieder auch den rechten Weg. Gerd war nicht zu stoppen. Die Bergwertung konnte er mit herausragendem Vorsprung für sich entscheiden! Grürmannsheide ist mir jetzt auch ein Begriff den ich nicht so schnell vergessen werde. Wir liefen weiter durch die Ruhrwiesen, zum Teil auf unserer 30km-Trainingsstrecke. So langsam witterten wir "Stallgeruch". Unsere Mittagspause machten wir in Holzwickede- Opherdicke. Was für ein Tag! Noch nicht mal nass sind wir geworden! Die Stimmung wechselte von müde auf munter. Unsere Gruppe kam vor lauter Quatscherei kaum noch von der Stelle (oder war´s doch die muskuläre Beanspruchung?).
Zur zweite Hälfte der Nachmittagsetappe kam dann Gisela frisch und ausgeruht dazu. Ein Segen für die ganze Gruppe. Sie hat ein Naturtalent als Gruppenbetreuerin bewiesen. Auch konnten wir das letzte Stück der Strecke optimieren. Wir sahen keinen besonderen Anlass, noch eine Ehrenrunde um Kamen zu drehen. Und dann wurde ein Traum wahr! Wir erreichten lustig und vergnügt die Sportschule in Kamen Kaiserau. Wir wurden mit Malzbier und der üblichen Verpflegung, plus Umarmung und Glückwunsch empfangen. Das war klasse!
In größeren und kleineren Grüppchen trudelten nach und nach alle LäuferInnen ein. Die gemeinsame Freude über die schöne Tour war bei allen zu spüren. Wir sind in den drei Tagen zu einer Gemeinschaft geworden, die bei jedem von uns einen besonderen Platz im Herzen haben wird. Unglaublich, in 3 Tagen 130 Kilometer zu laufen. Die Tour wurde als Lehrgang ausgeschrieben, ich weiß jetzt auch warum.
Das Geheimnis eines guten Trainings liegt in der Regeneration.
Das Geheimnis einer guten Stimmung liegt im Zusammenhalt der Gruppe.
Das Geheimnis einer guten Verpflegung heißt nicht Technicalfood.
Es gibt kein schlechtes Wetter.
Es gibt immer mehr als einen Weg.
Es hat mir sehr, sehr viel Spaß gemacht!
Annette Bovensmann