25.07.1998 Swiss Alpin Marathon  - Hans Borgmann

Es kribbelte schon lange, einmal beim schwierigsten Lauf Europas teilzunehmen. Eine monatelange Vorbereitung war notwendig. Läufe im Sauerland mit starken Steigungen, Berglauftraining am Klappstuhl im Schwerter Wald oder an der "Eiger Nordwand" oft unterstützt von meinen Lauffreunden.

Aus dem 1. Lauf ist inzwischen eine viermalige Teilnahme geworden. 1998 war es dann zum vierten Mal. Bislang war der Lauf zwar nur 68km lang, aber vom Gelände her schwieriger und sorgte für Verletzungen. Jetzt ging es das erste Ma über 78km mit +/- 2300 Meter Höhendifferenz.

Am 24. Juli 1998 fuhr ich bei strömenden Regen Richtung Davos. Gegen Mittag erreichten wir das inzwischen wolkenlose, sonnige aber sehr heiße Davos. Auf der Marathonmesse sagte der Wetterbericht einen ähnlich heissen Tag voraus. Der Besuch der Messe ist eine willkommene Gelegenheit, mit anderen befreundeten "Ultras" von Biel zu fachsimpeln. Für meine Frau kauften wir eine Fahrkarte bei der Rhätischen Bahn, die mit Sonderzügen entlang der Strecke durch Täle, Schluchten und über Viadukte in dieser herrlichen Landschaft die Läufer bis Bergün begleitet.

Der Samstag begrüßte uns mit einem wolkenverhangenen Himmel, aber immer wieder versprach uns die Prognose im Laufe des Vormittags Sonne und Hitze. Aus meiner Erfahrung füherer Läufe wurde alles mit Sunblocker eingerieben, wo Sonne dran kommen könnte. Einen Sonnenbrand in den Kniekehlen oder an den Unterarmen, sowie auf den Schultern wollte ich nciht nch enmal erleben.

Punkt 8 Uhr unter tosendem Beifall und einem Dröhnen aus den Lautsprechern "jetzt geht's los" setzte sich der Läuferlindwurm der 3000 Läufer in Bewegung. Die schwarzen Läufer legten eine enormes Tempo vor, da sie ja nur 30km liefen. Kaum aus Davos heraus diente schon der erste Misthaufen als Toilette. Nun ging es schon allmählich hinauf nach Monstein, auf gut 1700m Höhe. Begeisterte Zuschauer mit Kuhglocken und Musikinstrumenten säumten die Strecke. Von der Sonne keine Spur, dafür aber war die Luftfeuchtigkeit auf 100% gestiegen, was zu einen enormen Wasserverlust führte. Hinzu das kam, dass ich durch das Einreiben mit Sunblocker überhaupt nicht atmen konnte. Über steile Waldpassagen und durch einen mit Grablichtern beleuchteten Tunnel ging es bergab nach Filisur auf 1000m Höhe, den Ziel des 30km-Laufes. Sieger waren die Läufer aus Kenia. Für mich ging es dann über die Albula Passstraße nach Bergün auf 1500m, den Startort des Bergmarathons.

Meine Frau erwartete mich schon mit trockener Kleidung, ein Küsschen und weiter ging's. Jetzt geht es ans "Eingemachte", steil hinauf durch das Val Tours zur Keschhütte, 2630m und Kilometer 50. Man konnte kaum noch etwas sehen, es wurde immer nebeliger, die Temperatur fiel auf 0 Grad, es hagelte und blitzte. Der Fürsorge des Veranstalters ist es zu verdanken, dass dieser Lauf für Viele nicht zum Fiasko wurde. Vorsorglich hatte man Müllsäcke zur Hütte geflogen. Jeder Läufer stülpte sich schnatternd den Müllsack über, die heißen Getränke waren eine Wohltat. Jetzt ging es 10km ziemlich eben über den Pnorama Trail. Der schmale Weg stand unter Wasser, Überholen war kaum möglich. Das schlechte Wetter versperrte uns den sonst so tollen Blick auf den Gletscher des Piz Kesch. In der Ferne war schon der Scalettapass mit knapp 2700m zu sehen. Dort wartete der Rennarzt und fragte jeden Läufer nach senem Befinden, mit der Taschenlampe leuchtete er zur Kontrolle in die Pupille. Mancher Läufer musste sich in das Sanitätszelt begeben um sich aufzuwärmen oder massieren zu lassen. Ich hörte dann auch, dass man den Lauf für die Läufer abgebrochen hat, die erst um 15:30 Uhr an der Keschhütte waren. Von dort wurden sie mit einem Geländefahrzeug nach Davos gebracht.

Nun kam für die Knochen der schwierigste Teil, auf 20km ging es 1200m bergab, über Platten, durch Altschneefelder, über Schotter, vorbei an Misthaufen und Kuhweiden nach Davos. Doch bei km 75 ging es noch kanppe 100m hinauf, es kam mir vor wie die Eigernordwand. Bald hörte man aber schon den Lautsprecher aus dem Stadion, dann kommt eine Stadionrunde unter großem Beifall der Zuschauer. Im Ziel erhält man einen schönen Bergkristall.

Auch ich war sehr glücklich nach 9:27 Stunden des Ziel erreicht zu haben. So hatte ich auch den wohl für mich schwersten Lauf bei schlechtesten Bedingungen gemeistert. Heute schaue sich mir gerne die während des Laufens gemachten Dias an. Meine Frau nahm an meinem Glück teil und war froh, dass ich das Ziel ohne Probleme erreicht hatte. Wir fuhren zurück nach Pontresina, um das Engadin zu durchwandern. Am nächsten Tag machten wir dann eine fünfstündige Wanderung bei herrlichstem Sonnenschein entlang der Engadiner Seen.

Hans Borgmann