18.09.2005 Dam tot Dam (Amsterdam - Zaandam) - Friedhelm Heller
Als mein Kollege mich vor 4 Monaten fragte, ob ich Lust hätte in Amsterdam 15 km zu laufen, sagte ich spontan zu, ohne mir Gedanken zu machen. Auch als ich kurze Zeit später nach meiner 15 km Bestzeit gefragt wurde, die ich mit ca. 1:30 h angab, blieb ich noch recht ahnungslos. Aber als die Info zurückkam, "Na dann hab ich alles richtig gemacht, ich hab uns mit 1:30 h für den Dam tot Dam Loop angemeldet", da wusste ich, dass er es Ernst meinte.
Auf meine Frage nach dem Termin wurde mir der 18.09.2005 genannt. "Ist ne Einladung unseres Kunden Nedeximpo." "Der zahlt auch die Gebühren." Das war alles was mir erzählt wurde. Naja, dachte ich, bis September ist noch lange hin. Mittlerweile war ich auch wieder schmerzfrei ins Training eingestiegen und sogar mit Erfolg in die Laufgruppe aufgenommen worden.
Allerdings hatte ich mir als Ziel den Essener Baldeneyseemarathon gesetzt und mich auch schon angemeldet. Ob das passen würde ? Ein Blick in den Kalender ergab grünes Licht. Ok, dann nehmen wir dieses Geschenk eben mit. Ist ein zusätzlicher Trainingslauf, das passt. Kurze Rückfrage beim Chef, wie das mit der Anreise läuft. Alles kein Problem, wir nehmen uns auf Firmenkosten einen Leihwagen und übernachten im Hotel. Anschließend am Montag noch ´nen Kundenbesuch, zahlt alles die Firma. Ich war beruhigt. Ein schönes Wochenende in Amsterdam, mit ein bisschen Laufen, gutem Essen und viel Grolsch trinken, das nenn ich eine optimale Marathonvorbereitung.
Als er mir dann eröffnete, dass ich am Sonntag um 6 Uhr nach Bochum kommen sollte, damit wir um diese Zeit starten können, hatte ich die Nase voll. Wie kann man nur so blöd sein, sich auf so was einzulassen. Nie wieder sage ich spontan meine Laufbereitschaft zu. Nie wieder!
Das Wochenende begann klasse. Zuerst hatte die Bahn wieder Probleme mich pünktlich nach Dortmund zu bringen. Dann nervte meine Tochter und wollte unbedingt abgeholt werden. Nach Einkauf und Hausputz erwartete mich nur noch ein wohliges Plätzchen in meinem Bett. Am Samstag eine kleine Joggingrunde im Rombergpark. Nach dem Duschen schnell noch einen Besuch bei den Eltern und ein Mittagessen schnorren. Anschließend zügig zurück, damit wir das Spiel Bremen - Dortmund nicht verpassen. Na klar, als wir in die Kneipe kommen steht es schon 1:0 für den BVB. Prompt verlieren diese Naivlinge auch noch das Spiel. Tolles Wochenende ! Nun aber schnell ins Bett. Um 5 Uhr ist die Nacht vorbei. So ein Mist. Hätt ich doch bloß nein gesagt.
Der Wecker klingelt. Mein
Gott, es ist noch stockdunkel, noch ein wenig müde gleite ich langsam aus dem
Bett. Schnell ins Bad, anschließend ein gutes Müsli und los geht es. Ich bin
pünktlich am Treffpunkt, Chef ist natürlich schon da. Ich lade meine
Sporttasche um und schon fahren wir los. Die Fahrt ging super. Kein Streß und
ruckzuck ist man in Holland. Mensch wir sind viel zu früh, vielleicht machen
wir noch ne Kaffeepause. Pustekuchen, sogar bei den vielgelobten Nachbarn bekommt
man Sonntag früh vor 8 Uhr keinen Kaffee. Egal, dann brettern wir eben durch.Laut Beschreibung sollen
wir das Industriegebiet Westerspoor anfahren. Blöderweise ist das nicht
ausgeschildert. Schließlich gelingt es uns doch den Treffpunkt zu finden. Wir
parken den Wagen und besteigen einen Shuttlebus in Richtung Zaandam. Dort am
VIP-Business Zelt will unser Geschäftspartner auf uns warten. Tatsächlich
müssen wir nur wenige Minuten warten und der gute Leo erscheint mit einigen
anderen Läufern im Schlepptau. Wir ulken ein wenig herum. Nach einigen
unpassenden Worten über mein Kampfgewicht, ziehe ich es vor die Umkleideräume
aufzusuchen. Diese befinden sich in einem großen Schwimmbad, mit 2 x 25m Becken
und einem kleineren Bereich für Kinder.
Dann bekommen wir unseren
Kleidersack, auf dem wir unsere Startnummer befestigen. Mittlerweile habe ich
erfahren, dass es nicht 15 km sonder 10 Meilen sind, die gelaufen werden
müssen. Toll, dachte ich, auch noch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen
hierhergelockt worden. Wie will mein Kollege das nur schaffen ?
Jetzt aber auf nach Amsterdam zum Start ! Wir besteigen erneut einen Bus, der uns zum Start bringen soll. Vorbei an nicht enden wollenden Schildern mit Startnummern, "hier werden die Kleidersäcke wieder ausgegeben", erklärt uns Leo. Ich hab ein ziemlich dummes Gesicht gemacht, als nach einer Weile die letzte Tafel erschien. 30.000 - 31.999! Wie bitte? So viele Teilnehmer? Nun erklärt mir Leo, dass dies eine beliebte Veranstaltung in Holland ist. Wir starten im 2. Block und wenn wir das Ziel erreichen, wird die letzte Gruppe auf die Reise geschickt. Wahnsinn ! Das ist ja wie Marathonlaufen.
In Amsterdam angekommen
marschieren wir stracks zum Start. Zwischendurch noch schnell die Säcke auf den
LKW geworfen und ab Richtung Hauptbahnhof. Es ist wie in einem Bienenkorb.
Läufer und Läuferinnen wohin man schaut. Gleich schnell ein Klo aufsuchen, denn
"wildplassen" ist strengstens untersagt. Schon erreichen wir unseren
Startblock. Es wird genau kontrolliert ob die Startnummer hierhin gehört. Na
also, endlich drinnen. Oh, nur noch 10 Minuten bis zum Start. Wo ist bloß die
Zeit geblieben. Der erste Block ist schon weg und wir gehen nach vorn. Auf
einem Gerüst über uns plappert ein Conferencier auf holländisch und zu meinem
Erstaunen steht neben ihm Paula Radcliff mit einer Startpistole in der Hand.
Sie lächelt, sagt ein paar
nette Worte und entlässt uns mit einem satten Schuß auf die Strecke. Nach einer
kurzen ebenen Passage ging es links ab, direkt in einen Tunnel hinein. Immer
wieder klatschen die Läufer rythmisch in die Hände, was dazu führt, dass die
meisten das Tempo erhöhen. Ich zwinge mich da nicht mitzugehen, da ich weiß, wo
es bergab geht, geht es auch irgendwann wieder bergauf. Und richtig, als das
Ende des Tunnels zu sehen ist haben die Meisten Probleme. Mühelos gelingt es
mir an vielen Teilnehmern vorbeizuziehen. Einmal im Rhythmus versuche ich das
Tempo beizubehalten, allerdings kann ich mich nicht auf das Laufen
konzentrieren. Immer wieder Musikbands am Straßenrand. Zuschauer über
Zuschauer feuern die Teilnehmer an. Ich verstehe natürlich meistens
"Bahnhof", trotzdem schwappt die Begeisterung über. Am meisten
überrascht mich der Musikgeschmack der vielen jungen Leute. Ich dachte Schlager á la Roland Kaiser wären längst out.
Von wegen, immer wieder schunkelnd und lachend mit irgendwelchen Getränken in
der Hand, singen die Leute mit und geben sogar als Zuschauer alles. 29:01 min
nach 5 km, Mensch unter 6 min pro km, ob ich Das durchhalte. Egal, heute wird
gefeiert. Durch kleine schmale Gässchen laufen wir, die Menschen dort haben es
sich vor Ihren Häuschen gemütlich gemacht. Mal Schlager, mal Techno, mal
Ententanz dröhnt aus den Lautsprechern. Immer wieder "Arnolds", die
stehen bleiben und ein Tänzchen mit den Zuschauern wagen. Was ist hier nur los? 58:15 min nach 10 km. Oh, super, den Rest schaffen wir auch noch.
Meinen Kollegen hab ich längst aus den Augen verloren. Auch sind die Läufer unseres Kunden nirgends zu entdecken. Ich habe längst begonnen diesen Lauf für mich allein zu genießen. Immer wieder wird man von netten Zuschauern mit Wasser oder Bananen verpflegt. Es gibt natürlich auch offizielle Verpflegungsstellen. Mittlerweile ist es richtig warm geworden und mich hat der Ehrgeiz gepackt. Jetzt will ich auch unter 1:36 h laufen. Wir sind schon in Zielnähe, noch eine Brücke und ein paar Kurven in der Altstadt von Zaandam, vorbei an einer Kirmes, für deren Attraktionen ich keine Augen habe und dann eine für meine Begriffe unheimlich lange Zielgerade. Mag es an den Entfernungsangaben in 25m Schritten liegen oder daran, dass ich mittlerweile ausgepowert bin, trotzdem es leicht bergab geht brauch ich ewig bis der Zielstrich überschritten ist. Geschafft! 1:33:27 h für 16,09 km, für mich eine klasse Zeit. Zufrieden lasse ich mir die Medaille umhängen und greife nach der gereichten Mineralwasserflasche. Plötzlich sind auch 2 Mitarbeiter unseres Kunden da. 1:20 h und 1:26 h haben sie gebraucht. Hey, gar nicht so schlecht meine Zeit. Wir gehen zu Kleidersackausgabe und ich beeile mich unter die Dusche zu kommen.
Im Schwimmbad herrscht
Chaos. Schnell raus aus den Plünnen und nackt unter die Dusche. Oh, was ist das? Da steht ne Dame im Badeanzug neben mir. Aber ich bin beruhigt. Auf der
anderen Seite steht eine nackte Frau und duscht und dahinter wieder ein nackter
Kerl. Wir sind ja in Holland, da ist das normal. Als ich mich umdrehe bemerke
ich, dass wir mitten im Schwimmbad stehen und 3 m weiter die Leute schwimmen.
Aber das stört hier keinen, ein paar Männer springen sogar "blank"
ins Wasser, so was wäre in Deutschland undenkbar. Nach dem Duschen bin ich
total happy und entspannt.
Neben dem Schwimmbad war eine kleine Zeltstadt
aufgebaut, natürlich mit Bierzelt. Kaum ins Freie getreten, laufen mir auch
schon unsere Kunden über den Weg und laden mich auf ein Grolsch ein. Genau das
brauchte ich jetzt. Nach ein paar gemütlichen Stunden mussten wir leider schon
wieder die Heimreise antreten. Die Rückfahrt war langweilig, mit den vielen
Wochenendausflüglern auf der Autobahn. Es ging jedoch zügig voran, sodass ich
um 19:30 Uhr noch ein wenig Wahlsondersendung schauen konnte.
Trotz der anstrengenden Reise behalte ich ein tolles Erlebnis in Erinnerung. Vielleicht wäre diese Lauf ja auch mal etwas für unseren Lauftreff. Amsterdam ist ne Reise wert.
Friedhelm Heller