07.11.2004 New York Marathon - Ein Traum wird wahr -Arnold Pankratow

Einmal in Leben muss ein Läufer nach New York!, hatte ich irgendwo irgendwann ´mal gelesen und es ließ mich nicht mehr los.Aber alleine? Niemals! Flugangst, kaum Englisch-Kenntnisse...

Also fing ich an über meinen Wunsch mit Bittermärkern zu reden. Das ist über 2 Jahre her. Einige Lauffreunde waren ja schon da und waren begeistert. Dann bot Hans an, seine New York-Diashow  beim Stammtisch zu zeigen. Die Bilder waren so überwältigend schön, das nun immer mehr Läufer mit nach New York kommen wollten. Raimund übernahm die Organisation der Reisevorbereitungen. Eine Riesenaufgabe!
29 Läufer und 9 PartnerInnen. Unglaublich, wir vom LTB fliegen mit 38 Leuten nach NY, das hätte ich niemals für möglich gehalten.

Von der Anmeldung bis zum Abflug dauerte es fast ein Jahr. So weit weg war der Termin und die Vorfreude wurde immer größer. Im Vorfeld mussten wir uns schon ´mal für einen Bettnachbarn festlegen. Viele Angebote aus der Frauenlaufgruppe habe ich aber abschlägig beschieden, da ich viel lieber mit dem Trainer ein Zimmer teilen wollte (ich hoffte, dass er im Schlaf einige Lauftricks verraten würde)

Bloß nicht verschlafen, um 7 Uhr am Bahnhof sein. Ich war um 6.30 Uhr dort, alle waren pünktlich. Und es gab sogar Begrüßungssekt im Bahnhof, eine tolle Idee! Jetzt kann es losgehen, wir sind alle bereit. Je näher wir dem Flughafen Frankfurt kamen, um so mulmiger wurde mir, aber ich hatte ja die „Hammertropfen“, die auch Elefanten beruhigen könnten (aber Elefanten haben bestimmt keine Flugangst). Mit feuchten Händen zählte ich kurz vor dem Abflug die Tropfen, ich weiß gar nicht mehr, wie viele ich gezählt hatte. Ingrid sah das und ermahnte mich eindringlich, bloß nicht so viele zu nehmen.
Ich müsste am Fenster sitzen, um meine Angst zu überwinden. Trotz Bitten bei der Abfertigung bekam ich einen Platz in der Mitte. Sch…..! Ich wurde noch nervöser und dachte wieder an meine kleine Flasche.Elke bekam mein Problem mit und bot mir sofort ihren Fensterplatz, ich war gerettet. Dankeschön!!!

Ein ruhiger Flug über den Wolken, die wie eine wunderschöne Schneelandschaft unter uns lagen, die Sonnenstrahlen begleiteten uns Stunde um Stunde. Lauffreunde erkundigten sich nach meinem Zustand, ich brauchte keine Medizin mehr. Die Gruppe gab mit Geborgenheit und Sicherheit.
Pünktlich gelandet, mit dem Bus zum Hotel, Zimmervergabe—alles klappte ganz gut.

Waren wir wirklich in New York???? Nicht zu glauben!

Friedenslauf über 5km am Samstag: Viele Tausend Läufer aus allen Ländern dieser Erde, teilweise kostümiert setzten sich langsam in Bewegung Richtung Central Park. Ein schönes Gefühl, dabei zu sein.
Wie wird das Wetter wohl am Marathontag sein. Der Wettersender sagte Traumwetter voraus, bis 20 Grad.

Ganz früh aufstehen. Was sollen wir für die lange Wartezeit anziehen und was zum Lauf? Wir fuhren alle mit dem organisierten Bus zum Start. Unzählige Busse brachten tausende von Läufern zum Startbereich. Überall Sicherheitspersonal. Wir blieben immer schön zusammen, eine lange Wartezeit lag vor uns. In kleinen Gruppen besuchten wir die Getränkestände, anschließend die Toilettenhäuschen. Die ca. 100 m lange „Pinkelrinne“ am Fuße der Verrazano-Bridge wurde zum „reißenden Bach“. Die Idee war aber gut, denn so wurden die grünen Häuschen entlastet.
Hubschrauber donnerten immer wieder über die unglaublichen Menschenmassen, von der Bühne schallte die Musik herüber. Als ich zum 3. Mal von der Rinne kam: Ein großer Jubel in dem Moment, als ich  direkt an der Bühne vorbeigehen wollte. Was sollte das nun wieder? Hier kennt mich doch kaum einer. Ah, Thekla Laroupe betrat gerade die Bühne!
Die Sonne schien, ein wunderschönen Tag kündigt sich an. Wir suchten unsere Starterfelder, nachdem wir unsere Kleiderbeutel in die nummerierten UPS-Transporter gebracht hatten.

Und immer kreisten die Presse – Hubschrauber über uns. Endlich ein dumpfer Kanonenschlag in weiter Ferne und es ging los.Aber nicht für uns, denn wir waren teilweise 20 Minuten von der Startlinie entfernt. 42.000 Anmeldungen sollen vorliegen. Unglaublich.
Stehen, gehen, anlaufen, Stehen, anlaufen usw. und dann waren wir endlich an der Startlinie. Hansmartin war bei mir und so konnten wir auf der Brücke die ersten Laufstrecken-Fotos von uns machen. Die Brücke entpuppte sich als lange Bergaufstrecke, die ersten Läufer atmeten schon schwer nach 1 km. Als anerkannter Bergläufer erkannte ich sofort: Hier werde ich nicht letzter! Und ich nehme mir vor, viele Fotos von der Strecke zu machen. Ganz allmählich zog sich die zog sich die Läuferschar auseinander. Die Stimmung unter den Läufern war einfach grandios.
Das muss ich erst mal internalisieren: DU LÄUFST IN NEW YORK !!!

Die Zuschauer riefen immer meinen Namen (die werden mich doch wohl nicht mit Schwarzenegger verwechselt haben..) und machten mir Mut, schneller zu laufen. Es ging nach Brooklyn und weiter über die Pulaski-Bridge nach Queens. Viele LTB´ler habe ich nicht mehr gesehen, wahrscheinlich waren alle hinter mir. Doch dann ein blaues LTB-Trikot in weiter Ferne vor mir. Ich erkannte meine Ironman-Bikerin  Johanna . Hatte sie eine Gehpause eingelegt? Nein, sie suchte die richtige Stelle zum Aussteigen nach ca. 10-12 km. Sie hatte ja angekündigt,  aufgrund ihrer schmerzhaften Hüftprobleme den Lauf vorzeitig zu beenden.

Der Abschied so mitten auf der Strecke hat mich emotional doch sehr mitgenommen, mir kam es so vor, als würde ich sie im Stich lassen. Wir haben uns herzlich gedrückt und uns von Zuschauern fotografieren lassen; dann ging es weiter über die Queensboro Bridge nach Manhattan. Die First Ave. folgte (lange Gerade). Immer wieder Fotostops unterwegs und weiter über die Willis Ave Bridge in die Bronx.
Hier stand ein Jugendlicher mit einem großen Stücke Pappe mit der handgemalten Aufschrift „Welcome to the Bronx“....alle liefen vorbei, ohne die herzliche Geste überhaupt wahrzunehmen. Die Freude war auf beiden Seiten wirklich groß, als ich mich dazustellte und uns fotografieren ließ. Wir verabschiedeten uns per Handschlag und es ging weiter über die Madison Bridge und 5. Ave in den Central Park. Immer mehr Zuschauer säumten die Straßen, jetzt kann es nicht mehr weit sein. Millionen Anfeuerungsrufe und der Central Park  wird immer länger und immer steiler.

Ich hatte das Gefühl, 10 Std. unterwegs zu sein, aber so ein Gänsehaut-Lauf sollte nie aufhören. Und dann kam das Ziel nach fünfeinhalb Stunden, die Medaille wurde den Finishern umgehängt und das Gefühl eines Olympiasiegers machte sich in mir breit.

Ich habe New York geschafft!

Und wehe einer in Deutschland fragt mich: „ welche Zeit bist Du gelaufen ?“  Das wäre die Falsche Frage. Die richtige Frage wäre: „Wie war es?“
Und dann kann ich nur sagen: Alter, ein Mal musst Du nach New York und Du wirst es niemals vergessen!

Aber jetzt stand ich da mit meinem riesigen Kleiderbeutel, den man gar nicht brauchte. Ich war zwischen tausenden Läufern verdammt allein. Durch das Fotografieren habe ich bestimmt 3 Stunden verloren und die Bittermärker liegen schon lange in der Badewanne.Was  soll es, ich nehme mir eben eins der 10000 Taxis. Orientierungslos schlenderte ich mit dem blöden Kleiderbeutel durch die Straßen und gab verzweifelt Handzeichen in Richtung Taxi. Nicht ein einziges hat gehalten. Also ging ich weiter und weiter und es wurde wirklich dunkel. Als ich eine Rikscha auf der Gegenseite sah, hob ich mit letzter Kraft zum 1000. Mal den Arm. Der Rikscha-Fahrer machte eine Patentwende auf der 6 spurigen Straße und lud mich ein. Straße und Hotel kannte ich ja. Die lebensgefährliche Fahrt im Dunkeln zwischen den Straßenkreuzern führte mich über Umwegen (das hab´ich nämlich gemerkt) zum Hotel.
Es waren ca. 1,5 km. Ich fragte nach dem Preis: zwanzig Dollar!!! Ich war zu schwach zum Diskutieren und Deutsch konnte der junge Driver bestimmt auch nicht.Zur Strafe musste er mich in seinem Luxusgefährt fotografieren (Beweis für Zuhause) und somit war ich als allerletzter Bittermärker im Hotel.

Wir gingen alle zusammen zum Mexikaner. Ich wollte ein richtiges Steak mit allem Drum und Dran. Gut das Thomas wusste, was durchgebraten heißt: „ Well done“! Das Steak war ohne Beilagen....und wieder zwanzig Dollar!

Wir haben in den folgenden Tagen voller Sonne so viel gemeinsam und in kleinen Gruppen unternommen  (fast alle Sehenswürdigkeiten besucht und bestaunt, Hubschrauberrundflüge mitgemacht, Beate beim Rolex-Kauf beraten, usw. usw.)
Es gäbe noch so viel zu erzählen, die Eindrücke waren manchmal  so überwältigend (WTC-Trümmerfeld, die kleine unbeschädigte Kirche direkt daneben, das Einwanderungsmuseum, das wunderschöne  Abendessen abends auf der ander Uferseite mit dem unvergesslichen Blick auf  die Skyline usw. usw.)

Mit diesen vielen schönen Eindrücken  und unserer NEW YORK – Marathon- Medaille sind wir zusammen in Dortmund nach einer Woche wieder angekommen und jeder einzelne von uns wurde mit einer Rose empfangen (herzlichen Dank an Eheleute May).

Eigentlich habe ich bis heute dieses große Erlebnis noch nicht verarbeitet, daher fiel mir das Schreiben eines Berichtes diesmal schwer. Zum Glück gibt es ja eine große Bilderserie von unserem New York-Marathon , denn manchmal sagen Bilder mehr als tausend Worte.

Und immer daran denken: Jeder Läufer muß einmal nach NEW YORK!!!

Danke, dass Ihr mir meinen allergrößten Läufertraum erfüllt habt.

Arnold Pankratow