14.11.2001 Saure Gurken Zeit - Rolf Peters
Laufen hat im November einfach keine Konjunktu. Warum?
Manchmal frage ich mich, warum ich den Quatsch eigentlich mitmache? Raus aus dem Büro, rein in den Wagen - Nässe, Stau und grelle Lichter, dann das Augustinum. Es ist Dienstag 18:00 - Bittermärker Lauftreffzeit.
Auf dem Parkplatz erstmal umziehen. Wir schreiben November, meine Rückspiegelleuchte spendet das einzige Licht. Wo stecken eigentlich die Laufschuhe? Gezergel im Fond, ich friere. Ist es das jetzt wert?
Trotzdem - ich trotte zum Treffpunkt. Schemenhaft tauchen ein paar Gestalten aus dem Dunst. "Hallo zusammen!", dann erstmal rumstehen, ich bin der Neue. Gisela, Ralf, jetzt auch Michaela - das sind die Namen, mit denen ich zunächst auskommen muss. Der Frauenüberschuss täuscht, Männer sind nur verstockter in der Preisgabe ihres Vornamens; weiß ja auch kein Schwein, dass ich der Pit bin.
Alle da? Kann losgehen. Zwei Gruppen, wie weiland, als es auf Berlin zuging, lassen sich unter den obwaltenden Bedingungen schon gar nicht mehr bilden. Nur ein paar Hardliner setzen sich ab unter dem festen Vorsatz, mit Tempo 5 Min/Km den Ahlenberg zu erklimmen. Sogar mit Spürhund. So dunkel ist es nun auch wieder nicht.
Die anderen trollen sich in Richtung Rombergholz, zur Pferdebach-Route. Wo sommer's ein breiter Weg den Läufer zur Besinnlichkeit lud, klafft jetzt ein schwarzes Loch. Einige haben Taschenlampen dabei, auch ich - der Neue - will mich einbringen und leuchte den Leuten mit meiner MagLite zuvorkommend zwischen den Beinen herum.
Vorne weg läuft Klaus-Peter, ein kantiges Urgestein mit ehrfurchtgebietender Stimmlage, der man überallhin folgen würde. Oft sind es gar nicht die nächtlichen Hindernisse, sondern sein donnerndes "Vorsicht!", das mich straucheln lässt.
Zunächst sind alle noch einsilbig, fast etwas mürrisch. Ich klappere meine paar Bekannten ab, "Alles klar?", "Wie geht's?", laufe dann mal so vor mich hin, meist etwas abgesetzt rechts außen, der Individualist ist nicht auszumerzen. Die Beine sind schwer, es geht hoch Richtung Viermärker Eiche, erstmal innerlich ein bisschen motivieren.
Nach einigen Kilometern wird es wieder heller. Wir sind in beleuchtetem Siedlungsgebiet Richtung Zoo, der Motor läuft jetzt runder. Das geht allen so, die Gespräche werden angeregter. Kein Problem mehr, Anschluss zu finden, ein Wort gibt das andere. Die Themen Laufen und Gesundheit gehen immer. Außerdem Börse. Und die Borussia. Bei den Damen darf es auch eine Trennungsgeschichte sein, natürlich nur, sofern man sie als Opfer erlebt hat. Arnulf gesteht mir, dass er vor einem Jahr dazugestoßen ist, weil er im Dunkeln nicht allein laufen wollte. Kann ich verstehen, bei mir findet sich nicht mal jemand im Hellen.
Einmal wird mir sogar prustend erläutert, dass ein Wohnmobil-Klo ohne Chemie entsorgt wird. Zweifellos ein etwas prosaisches Thema, aber man lernt ja nicht aus. Ich dachte, man kippt 2 Flaschen Domestos rein, mischt vielleicht noch die Schwiegermutter unter, und das Ganze löst sich dann zu einer gleichförmigen Masse auf.
In den Gesprächspausen befasse ich mich mit den unterschiedlichen Laufstilistiken meiner Vorderläufer. Einer singt sogar dabei. Da herrscht also gewissermaßen Überdruck. Trotzdem hochökonomisch, als wäre er gar nicht mehr zu stoppen.
Anne hat einen Bewegungsablauf, bei dem man förmlich spürt, dass da jemand in seinem Element ist. Schönheit entsteht, wo innerer Ausdruck und äußere Form korrespondieren, ist häufig an die Situation gebunden und leider selten. Kandinsky sprach einmal vom "Inneren Klang". Warum sieht das bei mir nicht so aus? Natürlich - die innere Einstellung.
Wir sind im Rombergpark. Plötzlich Gegenverkehr. Lange Kolonnen von Walkern, in geheimnisvoll weiße Leibchen gemummt, wie Schneewittchen und die sieben Zerge. Da sind wir in unserem dunklen Outfit natürlich cooler, aber das kriegen wir auch gleich zu spüren. Maulende Zwischenrufe, "Weg da!", "Aufgepasst" und "Zieht euch doch mal was helles an!". Ja doch, ein Helles gibt's später.
Nun - ich gelobe Besserung. Aus Vereinstreue wird es wohl wieder schwarz-gelb werden. Unten schwarz, oben gelb, ein unerklärliches ästhetisches Gesetz verbietet das Gegenteil. Und dann auch gleich mit so einem engen Höschen. Wie ein Harlekin. Fehlt nur noch die Hasenpfote. Es besteht dann zwar eine gewisse Diskrepanz zwischen Larve und läuferischer Leistung, aber was tut man nicht alles, um im Trend zu bleiben?
Nach Pferdebachweg und erneuter Schleife durch den Rombergpark, im Anlauf auf das Ziel, den Parkplatz am Augustinum, wird es wieder etwas schweigsamer. Natürlich ist auch ein wenig Erschöpfung dabei, aber es überwiegt die tiefe innere Befriedigung, für einen Augenblick ein wenig mehr in sich zu ruhen. Das wohlige Gefühl macht sich breit, etwas für sich getan zu haben. Es hat sich gelohnt. Und rundum Menschen, denen es offensichtlich genauso geht.
Am Schluss gibt's Gold für mich bei den Männern. Lediglich Anne war vorher im Ziel. Wie gesagt - es liegt an der inneren Einstellung.
Rolf "Pit" Peters