22.07.2001 Georgsmarienhütte 50km - Annette Bovensmann
Mein erster Ultralauf
Am Samstag den 21.07.01 packte ich alles was ich an Sommerlaufsachen besitze, zwei Paar Laufschuhen, mehrere Powerriegeln, Isomatte, Schlafsack, Taschenlampe und was ich sonst noch an Hausrat eventuell bei einem Ultralauf gebrauchen kann in eine große Tasche. Danach schaute ich mir mit dem einen Auge noch eben die Tour de France an, mit dem anderen suchte ich mir am PC die Reiseroute nach Georgsmarienhütte raus. Damit waren die grundlegenden Vorbereitungen getroffen und ich setzte mich ins Auto.
Auf ins Unbekannte! Alles lief nach Plan und gegen 18:00Uhr traf ich in Kloster Ösede einem Stadtteil von Georgsmarienhütte ein. Während ich noch mein Auto einparkte, sah ich schon Margarete und Horst Noffke winken. Juchuhu, ich freute mich auf den Lauf und fand alles wunderbar. Außer Margarete und Horst war auch Karl-Heinz Flume und Alfred Baumers mit von der Partie. Alle außer mir kennen sich schon seit Jahren im Ultrabereich aus. Als der Veranstaltungsleiter Georg Rollfing vorbeischaute, sagte Margarete ihm: "Das ist Annette, die ist hier Azubi" Ja und genau so fühlte ich mich auch!
Die Anreisewelle schwappte so richtig über Kloster Ösede und alles was Richtung Turnhalle ging, sah ausgesprochen gut trainiert und fit aus. Horst gab mir den guten Tipp, mir auch schon mal einen guten Schlafplatz in der Turnhalle zu suchen. Auf einer dicken Hochsprungmatte zwischen Läufern aus Bottrop und Unna steckte ich mein Revier mit Isomatte und Schlafsack ab. Die Turnhalle war in zwei Hälften geteilt. Eine Hälfte für die Schläfer, die andere Hälfte war mit Tischen und Stühlen bestückt. Später fand dort die Nudelparty statt. 155 LäuferInnen hatten sich angemeldet. Die meisten waren schon mehrfach in GM-Hütte gewesen. Etwa 20-30 Erst-Nuller waren da.
Nach dem Essen betrat dann Georg Rollfing das Parkett. Er wies uns Neulinge in die Geheimnisse der Strecke ein. Als Anschauungsmaterial diente dazu eine bemalte Tapete, auf der die Strecke ziemlich genau aufgezeichnet war. Mir wurde schon ein bisschen mulmig bei dem Gedanken, diese Strecke morgen zu laufen. Aber ich beruhigte mich mit dem Gedanken, das es so schlimm ja nicht sein kann, wenn so viele Wiederholungsläufer dabei sind.
Nun denn, irgendwann waren die Nudeln gegessen, die Strecke besprochen und die Zähne geputzt. Auf zum Matratzenhorchdienst! Die Nacht wird kurz, der Wecker war gestellt auf 4:30Uhr.
Aber was glaubt ihr denn? An Schlaf war erst mal gar nicht zu denken. Taps, taps, taps, der schöne Holzschwingboden der Halle gab jeden Schritt der zum stillen Örtchen gehenden deutlich wieder. "Meine Güte, muss das denn sein ?" "Nur Läufer mit Konfirmandenblase unterwegs?", das waren meine zugegeben etwas genervten Gedanken. Als dann alle einmal ihre Schlafstelle verlassen hatten, stellte ich fest: Verflixt! Jetzt muss ich auch raus!
Also, jetzt aber endlich schlafen, sonst wird´s morgen schwer. Nach noch einigen kurzen Unterbrechungen durch Schnarchen und Mücken (ich bin mir ziemlich sicher, dass sich alle GM-Hütter Mücken in der Turnhalle an den Läufern satt gesoffen haben), war die Nachtruhe auch schon wieder vorbei.
Aufstehen, frühstücken, Margarete, Karl-Heinz und Alfred suchen und dann ....Gudrun kam! Ja, Gudrun ist ein Original ! Gudrun I. Peschel kam zum 25. mal nach GM-Hütte. Zusammen mit Ehemann ist sie eine Institution. Sie führt die langsame Gruppe, betreut, erzählt, fragt nach dem Befinden und das aller Beste: Gudrun kennt den Weg! Das können sonst nur einige Einheimische behaupten! Ausgeschrieben ist die Strecke ja über 50km aber von den 155 Teilnehmern haben einige etwas mehr gelaufen, andere hatten Glück und haben einen etwas kürzeren Weg gefunden.
Um 5:30Uhr liefen wir los. Schön gemächlich, nur keine unnötigen Körnern verpuffen. Mit dem Wetter hatten wir ausgesprochenes Glück. Trocken, nicht zu warm und der Himmel war bedeckt. Über den genauen Streckenverlauf kann ich mir im nachhinein keinen rechten Reim machen. Wir liefen flach an, weiter stetig bergauf, ab und zu mussten wir gehen weil der Weg zu steil war, der Aussichtsturm auf Kilometer 10, dann Verpflegungsstelle, weiter bergauf, bergab über Stock und Stein, Wiesen und Felder, mal auf der Straße, dann im Wald.
Ziemlich schnell überholten uns die um 6:00Uhr gestarteten schnelleren Läufer. Unsere Gruppe ging es gut. Alle waren vergnügt, wir schwatzten, tratschten und ich vergaß zwischendurch völlig die Zeit. Vorbei an ländlichen Siedlungen, Höfen, Feldern, durch Wald und Wiese. Karl- Heinz machte einen Schritt nach rechts und schwupps weg war er. Verschwunden in einem Graben. Etwas lädiert mit einigen Kratzern holten wir ihn wieder auf die Strecke. Auf Kilometer 30 kam wieder eine Verpflegungsstelle. Das Rote Kreuz versorgte uns mit Bananen, Wasser, Tee und Cola. Jetzt holte ich meinen Powerriegel raus! Für irgendwas muss dieses Zeug ja gut sein! Schmeckt nicht besonders, aber der Glaube versetzt Berge! Und genau davon gibt es bei GM-Hütte genug.
Mir ging´s immer noch gut und die anderen liefen locker und unverbissen. Dann kam mal wieder einer dieser Momente in meinem Leben an denen ich merke, was für eine kleine Nummer ich doch bin. Dietmar überholte uns! Neben Dietmar aus Unna habe ich letzte Nacht geschlafen und ich wusste: Dietmar ist blind. Er ist wirklich blind! Mir ist völlig schleierhaft, wie er über die Strecke gekommen ist. Mit einem anderen Läufer, der ihn am Seil führte, lief er zügig an uns vorbei. Einer fragte dann auch: "Wer ist den der Blinde, der Rechte oder der Linke?" Ich bin immer noch beeindruckt, über diese Leistung. Dietmar war bereits zum 5.mal beim Nuller.
Irgend wann nahm die Strecke fast ein Ende.Wir kamen zur Marathon-Eiche. Mitten auf der Straße, gut umzäunt, bei Kilometer 42! Innerlich sprach ich ein kurzes Läufergebet. Allen ging es gut, keiner schien Schwierigkeiten zu haben. Margarete freute sich, als Horst auf dem Rad uns entgegenkam. Gut gelaunt begrüßte er uns und blieb in Sichtweite. Karl-Heinz bekam die "zweite Luft" und hängte sich an das Hinterrad. Wo Alfred abgeblieben ist konnte ich nicht so genau feststellen, aber er hat auch schon mehrfach genullt und wusste den Weg. So waren wir Läuferinnen unter uns. Gudrun I. unsere gute Betreuung, drückte auch noch ein bisschen aufs Tempo, sie wollte zur Läuferehrung rechtzeitig zurück sein. Immer noch wartete ich auf ein Schwächeln meinerseits, aber ich habe einen guten Tag erwischt und fühlte mich pudelwohl. Nach 6:07 h kamen wir wieder in Kloster Ösede an. Glücklich, zufrieden, durstig und verschwitzt.
Ich habe viel gesehen, gehört und mich zu keinem Zeitpunkt gequält. Margarete, Horst, Karl-Heinz und Alfred gratulierten mir zu meinem ersten Ultralauf. Jetzt musst ich aber gleich mal Jörg anrufen!
Die Endorphine machten sich schon bemerkbar. Ich kicherte in das Handy und quatschte Jörg die Ohren voll. Ich war glücklich und zufrieden. Aber damit ist noch lange nicht alles gesagt: nach dem Duschen und einer ausgiebigen Stärkung mit Broten und Getränken, begann die Läufer-Ehrung. Neulinge bekamen ein Zertifikat und eine Urkunde Die Läufer, die zum 5. mal den GM-Hütter -Null -Lauf mitgemacht haben, bekamen eine neonfarbene Weste und wurden zu Berg- und Talführer mit Diplom befördert. Wer zum 10.mal genullt hat, wurde zum Magister bergum et talum ernannt und mit einer roten Weste bestückt. Gudrun und Ehemann Werner wurden besonders geehrt mit einer Tanzeinlage. Gegen Nachmittag packte ich meine sieben Sachen zusammen, um nach Hause zu fahren. Rundum war es eine super gelungene Laufveranstaltung bei der ich viel Spaß hatte.
Vielen Dank an Margarete Noffke, die mich überhaupt erst motiviert hat mit zu kommen.
Annette Bovensmann