17.04.2000 London Marathon - Jörg Weitkamp
London - Marathon
London ist ja sowieso eine sehens- und erlebenswerte Stadt. Den Marathon kann man problemlos in eine solche Empfehlung mit einbeziehen.
Am Freitag (14.4.) ging es zur Messe in die Docklands. Dort holt man, wie auch sonst überall seine Startunterlagen ab, lässt den Chip checken, und kann noch diverse Ausstellerstände besichtigen.
Bei einigen Läufen wird man ja schon vor dem Start mit diversen (Werbe-)Geschenken versorgt. Das ist in London nicht so, die muss man sich erst erlaufen.Auf der Messe gab es zwar viele Angebote, verglichen mit dem deutschen Preisniveau, gab es aber kaum verlockendes.
Sonntag, 16.4: Der Marathon
Nach dem die 2 Tage vorher uns nur recht kühles Wetter mit einigen Regenschauern brachten, hatte das Wetter dann doch noch eine unglaublich Wende genommen. Ich mochte meinen Augen kaum treuen, aber die Sonne schien!
Nach dem Frühstück bringt uns ein Bus vom Hotel zum Start. Die Organisation dort ist sehr gut. Viele LKWs, die die Kleidersäcke aufnehmen, und in dem Park ist auch einiges los. Es gibt grosse Zelte, in denen Mineralwasser, Tee und auch Liquid Power angeboten werden. Irgendwann ist es dann soweit, die Läufer werden aufgerufen, sich zum Start zu begeben. Es gibt an unserem (einer von 3 Starts) 9 Zonen und es wird darauf geachtet, dass sich jeder Läufer in der richtigen Zonen einordnet. So gibt es nicht eine grosse drängende Masse.
9:30Uhr, es geht los! Über 30.000 Läufer. Auch hier draussen beim Start sind schon etliche Zuschauer. Es geht zuerst östlich vom Stadtkern durch Wohngebiete. Hier fällt mir ein Läufer auf, der plötzlich, als wir eine Autobahn oder ähnliche Schnellstrasse überqueren, zur Seite rausflitzt. Er hat eine kleine Kamera bei und bittet einen Zuschauer, ihn zu fotografieren. Etwas später kommen wir an einem Haus vorbei, das mit diversen Nationalflaggen geschmückt ist. Wieder flitzt er raus, um sich diesmal mit der spanischen Fahne fotografieren zu lassen. Offensichtlich ein Spanier. Ich frage mich, ober wohl den Film vollbekommen hat. Hier in diesem Bereich gibt es die einzigen leichten Anstiege in dem Kurs. Es stehen neben den Erwachsenen auch viele Kinder an der Strecke, die sich freuen, wenn man sie abklatscht. Den Spass mach ich doch gerne mit. Es sind auch viele Mitarbeiter vom Sanitätsdienst am Rand der Strecke. Sie tragen Uniformen, die eher nach Polizei aussehen. Ich komme an einer Sanitäterin vorbei, die ihre Hand leicht erhoben hält. "OK", denke ich mir, "die will auch abklatschen" und also Patsch! Nun war die Verwunderung gross, denn ich hatte so etwas schmieriges an der Hand. Es war mir dann klar, dass die Sanitäter so den Läufern Vaseline reichten. Prima Service!
Gelegentlich spielen auch verschiedenste Musikgruppen am Strassenband. Eine z.B. macht auf Blues Brothers Band. Woanders stehen DJs und machen laut Musik. Am besten fand ich Keep on running (Spencer Davis Group?). Passte wunderbar.
Nach etwa 10km sind wir bei der Themse. Dort bietet sich ein sehr schöner Anblick: die Cutty Sark. An dieser Stelle sitzen sehr viele Zuschauer und machen eine prima Stimmung. Weiter geht es begleitet von vielen Zuschauern. Kurz vor Hälfte der Strecke kommt dann ein ganz besonderer Augenblick. Man läuft eine unscheinbare Strasse zwischen Häusern entlang und der Kurs macht dann einen Knick nach rechts. Ich weiss im Moment gar nicht genau wo wir sind. Als ich dann um diese Ecke komme weiss ich es genau, denn plötzlich steht man vor der Tower Bridge! Ein sehr imposanter Eindruck.
Nun hat man gleich die Hälfte geschafft. Auf der Gegenseite verläuft der Weg zurück, es ist aber niemand zu sehen. Ich wäre jetzt eigentlich auch schon gerne da drüben, aber abkürzen gibt es nicht. Dann kommen auf einmal vereinzelte Läufer. Es sind Pinto und dicht dahinter Kannouchi. "Donnerwetter sind die schnell!". Es ist schon ein begeisternder Anblick, wenn man diese Topathleten sieht, die in einem so schnellen Tempo eine solche Distanz bewältigen.
Na ja, ich habe noch ein wenig Zeit, bis ich dieses Streckenstück passieren darf. Also weiterlaufen, und die Zuschauer werden immer mehr!
Die Zuschauer sind sowieso ausgezeichnet. Abgesehen von den Verpflegungsständen, an denen man so kleine Vitell-Flaschen und manchmal auch Liquid-Power bekommt, bieten die Zuschauer einem auch oft Verpflegung an: Getränke, Obst, Bonbons. Ich habe unterwegs auch ein Mars gegessen, nur auf die Kartoffelchips habe ich verzichtet. Vielen Dank!
Die Vitell-Flaschen an den Ständen haben mir auch sehr gut gefallen, da man während des Laufens aus ihnen bedeutend besser trinken kann als aus einem Pappbecher. Ich fülle dann damit meine Flasche auf, mit der ich immer laufe.
Irgendwann verläuft die Strecke auch durch eine Unterführung. Durch die Schallreflektionen ist die akustische Unterstützung hier natürlich besonders intensiv. Auch hier hat wieder ein DJ seine Anlage aufgebaut und macht Musik. Zusäztlich lässt er noch von einem Laser Figuren an die Wand malen. Sehr schick!
Und so geht es weiter und weiter, und die Zuschauer werden mehr und mehr! Unterwegs überhole ich einen Läufer, der anstatt des üblichen Läufer-Outfits das Trikot und die Hose eines englischen Fussballschiedsrichters trägt. Ich grüsse ihn recht herzlich und erzähle ihm, dass ich ein pfeiffender Kollege aus Deutschland sei.
Nun komme ich auch an die Stelle, an der ich vorher Pinto und Kannouchi bewundert habe. Jetzt habe ich allerdings nur noch einige Kilometer, wärend die anderen, die mir entgegen kommen noch die Hälfte vor sich haben. Man winkt sich einander zu und gönnt sich gegenseitig ein paar aufmunternde Worte.
Mittlerweile befinde ich mich im letzten Drittel der Strecke. Ich erninnere mich noch an die Fernsehübertragung im Vorjahr und frage mich, wo denn die Passage mit dem Kopfsteinpflaster kommt. Ich hege die Hoffnung, dass die Streckenführung veränderte wurde und man sich nicht mehr dieser Tortur aussetzen muss. Es sah schon im TV sehr schmerzhaft aus. Unterhalb des Towers ist es dann soweit: Hoffnung geplatzt, Kopfsteinpflaster! Zwar hat man dieses mit einem Teppich überdeckt, aber man spürt die Unebenheiten doch sehr stark. Da sehr viele Läufer unterwegs sind, hat natürlich auch nicht jeder Platz auf diesem Streifen. So musste ich auch manchmal daneben her laufen. Da erwischt mich dann auch ein anderer Läufer, er touchierte von hinten meinen rechten Fuss wodurch ich dann mit meiner Fussspitze gegen einen Kopfstein stiess. Höllische Schmerzen durchzuckten meinen grossen Zeh. Ich hatte das Gefühl, das sich soeben mein Zehnagel von mir getrennt hatte. Welch passender Ort. Im Mittelalter wurde ja auch gerne mal im Tower gefoltert und den Opfern dann auch Zeh- oder Fingernägel rausgerissen. So wurde der weitere Lauf eine kleine Qual. Irgendwann liess dann der Schmerz zum Glück doch ein wenig nach, oder ich hatte mich dran gewönht, oder ich war schon zu müde um ihn noch richtig zu geniessen.
Die Strecke verlief jetzt parallel zur Themse. Ich spürte schon vorher kleine Problem aber nun passierte es dann doch: ein kleiner Krampf! Allerdings nicht in den Beinen, sondern im Arm, weil ich ja, wie vorher schon erwäht, die ganze Zeit mit einer Trinkflasche lief. Ich klemmte mir die Flasche nun hinten in die Hose. So lief es sich doch bedeutend besser.
Es sind jetzt nur noch wenige Kilometer und wir laufen an der Themse entlang. Es sind mittlerweile Zuschauermassen an der Strecke die eine riesige Stimmung machen. Jetzt noch einmal rechts und in der Ferne kann man schon den Buckingham-Palast erspähen. Die Zuschauer helfen einem wirklich weiter, trotzdem scheinen sich diese letzten Kilometer doch noch wie ein Kaugummi zu ziehen. Dann endlich die letzte Kurve vor dem Palast und noch ca. 200m bis zu Ziellinie. Hier sind sogar Zuschauertribünen aufgebaut. Ich beschleunige noch mal ein wenig und dann habe ich es endlich geschafft. Kaputt aber glücklich!
Nachdem ich im Hotel gebadet hatte gingen wir nachmittags noch zum Tower (vorher bin ich doch ein wenig eillig daran vorbei gerannt). Wir gingen auf dem Weg nochmal am Ziel vorbei, wo mittlerweile die Absperrungen abgebaut wurden. Es kamen immer noch Läufer ins Ziel. Jedem der an einem solchen Lauf teil nimmt, und ihn dann auch noch zu Ende bringt gebührt große Anerkennung. Genauso groß wie die Bewunderung, die ich vorher schon für die Topathleten ausgesprochen habe, ist mein Respekt vor den Läufern, die ca. 5-6 Stunden unterwegs sind. Ich weiß nicht, ob ich das so könnte. Besondere Anerkennung gebührt auch den Läufern, die mit Ihren tollen Verkleidungen (z.B. liefen 4 in einem "Bus") eine solchen Lauf auch zu einer schönen, bunten und unterhaltsamen Veranstaltung machen. Ihr seid prima!
Resümee: Der London-Marathon war toll. Vorher dachte ich, den mache ich einmal und nie wieder, denn die Startgebühr ist extrem hoch (210.-DM). Jetzt kann ich mir aber gut vorstellen, dass ich irgendwann nochmal daran teilnehemen werde, weil es mir so gut gefallen hat.
Die Strecke ist sehr intressant, auch wenn sie nicht an allen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt. Die Unterstützung durch diese riesige Zuschauermenge ist hervorragend. Ich glaube, die Londoner lieben ihren Marathon.
Das Wetter war auch gut, obwohl die Tage vorher und nachher kühl und nass waren, machte der Sonntag seinem Namen alle Ehre.
Ich fand es auch toll, was von und für die zahlreichen Hilforganisationen (Mulitple Sklerose, ...) gemacht wurde. Man konnte für eine solche Organisation laufen (ich weiss nicht, was man genau dafür tun musste) und bekam dazu ein T-Shirt von denen mit deren Bezeichnung und/oder einer Aussage wofür oder wogegen sie sich engagieren. Zusätzlich wurde auch noch der Name des Läufers aufgedruckt. Diese Läufer bekamen unterwegs dann eine besonders intensive Unterstüztung, indem sie namentlich angefeuert wurden. Eine tolle Sache für einen guten Zweck, zum Nachmachen empfohlen!
Die Verpflegung auf der Strecke ist, wie auch schon erwähnt, sehr gut. Es wäre jedoch schön, wenn es unterwegs auch mal ein wenig feste Nahrung gäbe (Bananen). Das sollte man wirklich noch einrichten. Ich hätte es auch sehr begrüsst, wenn es im Zielbereich Duschen gegeben hätte. Na ja, das Hotel war ja nicht weit.
Die Organisation drumherum war sehr gut. Hier gibt es nur zu bemängeln, dass man eine richtige Urkunde nur dann erhält, wenn man sich Photos bestellt. Sonst gibt es nur einen kleinen Streifen an einem Briefbogen mit dem Official Result. Nach ein paar Wochen bekommt man ein solches Schreiben auf dem dann auch die Photos im Kleinformat zu sehen sind. Die Photos sind aber (m.E.) sehr gut, 2 Stück kosten aber auch schon wieder 27 Pfund.
Ich kann diesen Lauf sehr weiterempfehlen, nur London ist halt recht teuer (nicht nur der Lauf).
Jörg Weitkamp