09.09.2006 M e´d o c - der längste und verrückteste Marathon der Welt - Arnold Pankratow

Ich hatte beim LTB schon so viel von Medoc gehört, also nix wie hin. Viele wollten mit, aber nur 7 vom LTB haben es getan. Mit dem Zug nach Duisburg, um 20.00 Uhr pünktlich mit dem Reisebus Richtung Frankreich. Der LTB war im Bus schwach vertreten (Rüdiger mit Gattin, Franz-Josef und ich). Wir waren gut drauf. Es wurde eine lange, total unbequeme Nacht (ich bin wohl zu alt dafür). Eine Stunde in Paris mit dem Bus anscheinend verirrt. Aber dort wurden noch 3 Mitfahrer aufgenommen, komisch! Paris bei Nacht hatte ich mir eigentlich besser vorgestellt. Weiter nach Bordeaux, ca. 11 Uhr Hotelankunft bei schönstem Wetter.

Die Startunterlagen wurden schon dort gleich verteilt. Das hat gut geklappt. Das Hotel war gut, aber fast eine Stunde vom Start entfernt. Kurz zur Marathonmesse, dann zu einer Weinprobe... kistenweise wurde der Wein zum Bus gekarrt. Ich hatte vorher gehört, dass der Medoc-Wein bei uns teilweise billiger sei als hier im Weinland. Warum kaufen die denn hier bloß soviel Wein???

Nächsten Morgen früh raus und mit dem Bus zum Start. Wir versammelten uns natürlich alle schon kostümiert vor dem Hotel.Unsere Damen Brigitte, Birgitt, und Coni sahen echt lustig aus, Rüdiger als Mr. Spock, Franz-Josef als Borussen-Chinese, Uwe als Borussen-Fan im Röckchen, ich als Strafgefangener. Die Stimmung war wirklich klasse.Auf dem Busfahrt wurden dann 3 Lauffreundinnen aus Köln (Astrid, Gisela und Ulla) vonAggi wunderschön von Kopf bis Fuß „bemalt". Anschließend hat sie sich noch selbst „getunt". Das war echt sehenswert! Ich war froh, dass ich eine große Speicherkarte in der Kamera hatte, es gab schließlich viel, viel zu fotografieren. Franz-Josef hatte vorsichtshalber gleich einen vollen Chip mitgenommen, damit er nicht so viel Fotos machen musste.
In der Nähe des Startbereiches kamen dann immer mehr Busse an und immer stiegen kostümierte LäuferInnen aus. Wo soll man zuerst hinschauen? Meine Kamera war im Dauereinsatz. Wie gut, dass wir im digitalen Fotozeitalter sind. Hunderte von Fotos konnten nun hintereinander gemacht werden, ohne lästiges Filmwechseln nach jeweils 36 Aufnahmen.

Da kommt gerade der Papst mit einem Kardinal in perfekter Verkleidung, da gesellt sich schon ein Teufel dazu, dort steigen 30 Schlümpfe aus Holland aus dem Bus. Schau ´mal die Playboy-Häschen, die Krankenschwestern im Supermini-Dress, ein fast nackter Mann nur mit Kellnerin-Schürze.....o la la! Mehr will ich hier nicht aufzählen, die Fotos sagen viel mehr!.

Die Stimmung steigt im Startbereich: Tausende kostümierte LäuferInnen bei bester Laune und Super-Wetter. Showeinlagen und Musik zum Mitsingen.....unglaublich. Und los geht´s. Nach dem Startschuß war ich richtig glücklich, dass ich mich von unseren Mädels hab´übereden lassen, doch mitzulaufen (Ihr wisst ja, ich wollte nach meinem 10. Marathon keinen mehr laufen, weil es für mich einfach zu anstrengend ist). Immer wieder die tollsten Verkleidungen - ich bin mehrmals ins Trudeln gekommen, da ich vergessen hatte, auch ab und zu mal auf die Straßen zu schauen. Mit unseren 3 Damen wollte ich schön langsam laufen (so weit die Füße tragen). Nach ca. 800 m machten wir auf Wunsch von Birgitt die erste Gehpause....Klasse!, dachte ich, ist ja nicht mehr weit. Es wurde immer wärmer, wir hatten Durst. An der ersten Getränkestation mussten wir uns erstmal Trinkbecher im Tumult beschaffen, aber ums Wasser mussten wir uns nicht streiten, es gab nämlich keines mehr. „Merde, Merde!" , das muss wohl „Wasser, Wasser" heißen, dass hörte man von allen Seiten. Nun gut, dann trinken wir eben an der nächstenVerpflegungsstelle. Später wurde die Versorgungslage aber zum Glück besser. Anwohner hatten uns auch mit dem Gartenschlauch „versorgt" und Wein gab es sowieso immer.

Über 30 Grad im Schatten, aber wir sind in der Sonne gelaufen bzw. gegangen (gefühlte 60Grad). Das Feld zog sich mehr und mehr auseinander, die Getränkeversorgung wurde wirklich besser. Die Weinberge mit den hochherrschaftlichen Anwesen waren schon ein besonderes Erlebnis. Es herrschte bald keinerlei Hektik mehr. Alle Läufer nahmen sich richtig Zeit. Es war irgendwie eine Sightseeing-Tour mit wunderbaren Fotomotiven. Die tollen Kostümideen ließen niemals Langeweile aufkommen, aber im langen Dress wurde die Hitze unerträglich (für mich). Hoher Puls, Übergewicht, zu wenig trainiert usw. Zusammen in der Gruppe (mit den 3 LTB-Zaubermäusen) laufen war nicht mehr möglich. Also trennten wir uns. Es war auch besser, wenn jeder sein Ding läuft.

Aber die Kölner Ladies Aggi, Astrid, Gisela und Ulla haben mich gemeinsam bei km 18 mit einem „Höllentempo" überholt....." wir erreichen den Halbmarathon bei ca. 3:07", hörte ich noch. Ich war bei 3:10 da, flache Strecke mit Puls 170....erstmals Pause machen im Schatten und auf die anderen warten. Nein, nein: noch nicht einmal Birgitt kam hier vorbei. Die hat doch garantiert aufgegeben. Ich bin auch kaputt und will nicht mehr (kann nicht mehr). Noch einige Minuten überlegen, hoffen auf ein bekanntes Gesicht...nein, ich höre auf. Die 6:30 Std. schaffe ich im Leben nicht, und um 17.00 Uhr fährt der Bus 50 km zurück ins Hotel. Ich weiß noch nicht einmal, wie unser Hotel heißt... nein, heute ist nicht mein Tag. Zum ersten Mal im Läuferleben (5 Jahre) einen Wettkampf aufgeben, das haut ´rein, meine Gedanken fahren Karussel mit mir. Ich suchte immer mehr nach Entschuldigungen für meine (falsche/richtige) Entscheidung. Dann schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Wenn ich jetzt nicht auf meinen (geschundenen) Körper höre, entscheidet vielleicht eine „höhere Instanz" für mich bzw. gegen mich. Aaaaah, ein Auto mit einem Offiziellen. Ich schlich mich hin und machte ohne Fremdsprachenkenntnisse deutlich, dass ich „fertig" bin. Ich muss wohl Mitleid erregt haben. Ich solle einsteigen, er bringt mich gerne zum Zielbereich. D A N K E!!! Eine Wohltat im klimatisierten Auto! Der Bürgermeister des Ortes und zugleich Renndirektor brachte mich zurück zum Ziel. Ich stellte mich am Zieleinlauf in die Zuschauerreihen und sah mir die Finisher an... Im Finisherzelt habe ich in aller Ruhe 4 Cola getrunken und viele Weintrauben gegessen.Den Aufenthalt hier im Zelt habe ich richtig genossen.

Dann bin ich zum Bus, habe mich umgezogen und bin mit Esther und meiner Kamera zum Zielbereich gegangen um die anderen LTB´ler im Empfang zu nehmen. Rüdiger kam uns freudestrahlend entgegen, jetzt haben wir uns erstmal einen „genommen". Am Bus trafen so langsam alle ein, natürlich mit Medaille, Rucksack, Wein. Coni sagte, „ich hab´auch aufgegeben." Aber wo ist Birgitt, unser „Sorgenkind"? Wir waren uns einig, dass sie 100%ig auch aufgegeben hat... hoffentlich ist nichts passiert! Da kam Birgitt auch schon um die Ecke geschlendert.....natürlich mit Medaille! Jetzt waren wir aber baff und doch sehr erleichtert und sehr stolz auf unsere Birgitt. Gott sei Dank, sie ist wieder bei uns. Wir erfuhren, dass sie am Anfang Gehpausen macht und dafür später durchläuft..... nächstes Mal wissen wir also Bescheid. So, nun konnten wir zurückfahren. Alle waren happy, weil sie es geschafft hatten,..... na ja,die Hälfte hab´ ich ja auch geschafft!

Abends feierten wir Brigittes Geburtstag (neue AK). Am nächsten morgen gab es die 12 km-Wanderung mit vielen Weinproben unterwegs. Und wieder ein wunderbare Stimmung. In der Mittagshitze sind wir dann zum Atlantik gefahren. Superwetter, toller Strand (nicht überlaufen), alle gingen ins Wasser, nur ich nicht. Sollte ich bei dem Wellengang die Brille (Stärke 10) verlieren, würde ich bestimmt etwas länger schwimmen (in die falsche Richtung). Dann kam Rüdiger und sagte, „komm mit, lass die Brille hier, ich passe auf Dich auf". Gesagt, getan. Ich blieb dicht bei ihm. Wunderbare Wellen, verschiedener Größen rauschten auf mich zu. Rüdiger hat mir die Wellenentfernung und Wellengröße immer rechtzeitig angesagt und ist wirklich immer in meiner Nähe geblieben. Danke an Rüdiger! Am nächsten Morgen fuhren wir dann nach Paris. Mit meinen beiden begnadeten Fremdenführern Franz-Josef und Rüdiger erkundeten wir per Metro die Stadt. Wie die beiden da durchblickten, ist mir immer noch ein Rätsel. Franz-Josef hatte Pech, er wollte uns einen ausgeben in einem schönen Straßencafe, die Cola kostete sage und schreibe 7 Euro (pro Glas). Aber wir hatten schöne „Ausblicke" hier am Notre Dame. Dann sind wir zum Künstlerviertel gefahren (Quartier Latin) und haben am Sackreköhr (Lautschrift) Straßenmusiker und Paris in der Abenddämmerung erlebt.

Die anderen Sehenswürdigkeiten haben wir dann am nächsten Morgen vor der Heimreise mit einer Reiseleiterin vom Bus aus bewundert. Eine überaus hektische Stadt! Dann kam die Rückfahrt (1Std. braucht man erstmal um zur Autobahn zu gelangen). In Köln verließen uns die 4 Kölnerinnen. Auf einem Autobahnparkplatz wurden sie mit Blumen empfangen, einmalig. Wir waren auch bald daheim. Statt Medaille habe ich einen echten Medoc - Weinstock mitgebracht und auf einen kleinen Hügel im Garten eingepflanzt. Bis zur ersten Weinprobe kann es aber noch etwas dauern.

Fazit:Medoc ist auf jeden Fall eine Marathonreise wert. Ein einmaliges Kostümfest mit einer tollen Stimmung. Hier schaut niemand auf die Zeit, man läuft um Spaß zu haben. Es ist der verrückteste Marathon der Welt und auch für einige der längste Marathon der Welt, denn angetrunken macht man im Zick-Zack-Kurs viele Extra-Kilometer. Aber: Eine Busreise ist einfach viel zu lang und viel zu anstrengend! Zum Abschluß unseres schönen Marathon-Erlebnisses haben wir uns schon nach 2 Wochen bei Birgitt und Hubert im Sauerland auf ihrem schönen Anwesen (mit 2 Pferden und 2 Eseln) zum Medoc-Nachtreffen versammelt. Hier wurde Birgitt auch gleich als neues LTB-Mitglied feierlich aufgenommen. Laufen verbindet in Dortmund, im Sauerland und auf der ganzen Welt!!!

Arnold